Die Raunächte 2021 und was sie für uns bedeuten

Zur Übersicht Christine Fuchs | 22.10.2021

Die Zeit zwischen den Jahren ist für alle eine besondere. So besonders, dass sie sogar einen eigenen Namen hat: die Raunächte. Um diese zwölf mystischen Nächte ranken sich Mythen, Rituale und Bräuche. Es ist die Zeit, in der die Welt des Wahrnehmbaren und Wirklichen mit der Welt des Unsichtbaren zusammentrifft. Geister, Tote und Dämonen sind nun am Zug, erobern Haus und Hof und erscheinen den Menschen.

Diese Vorstellungen stammen aus einer Zeit, in der die Dunkelheit allgegenwärtig und die Tageslichtphasen nur kurz waren. Naturphänomene waren nicht wissenschaftlich zu erklären. Die Menschen behalfen sich mit Erklärungen aus der Mythologie. So ist Wotan mit seiner Wilden Jagd für den stürmischen Nachthimmel verantwortlich. Er bringt die Sonne, die sich in der Unterwelt verfangen hat, zurück an die Erdoberfläche.

Die Raunächte verbinden drei wichtige Aspekte: den Blick in der Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft. Man verabschiedet sich vom vergangenen Jahr, begleicht alte Schulden und bereinigt Missverständnisse. Gleichzeitig betrachtet man das Hier und Jetzt und überlegt, was das neue Jahr bringen soll. Dieser seelische und geistige Vorgang wird durch Riten, oft auch Räucherungen, unterstützt, um noch tiefer in sein eigenes Innerstes blicken zu können.

Woher kommen die Rituale zu den Raunächten?

Der genaue Ursprung der Raunächte ist nicht bekannt. Astronomisch ergeben sie sich durch den germanischen Mondkalender, der zwölf Monate mit insgesamt 354 Tagen dauert. Als Differenz zum Sonnenjahr ergeben sich elf Tage und damit zwölf Nächte. Welche Nächte die Raunächte umfassen, ist nicht überall einheitlich. Nach der kosmischen Auslegung beginnt das Mondjahr am 1. Januar und endet am 21. Dezember. Rechnet man die zwölf Heiligen Nächte dazu, kommt man wieder am 1. Januar raus. Nimmt man jedoch das christliche Kirchenjahr als Ausgangspunkt, beginnen die Raunächte am 25. Dezember und ziehen sich bis zum 6. Januar. Welchem Zeitraum man sich anschließt, hängt ganz von einem selbst ab und davon, was sich richtig anfühlt.

Welche historische Bedeutung haben die Raunächte?

Das keltische Jahr richtete sich nach acht Wegmarken der Natur. Durch die tiefe Verbundenheit mit jedem einzelnen Baum und jeder Pflanze hatten die Jahreszeiten großen Einfluss auf das Leben der Kelten. Sobald ein Wechsel von einem in den nächsten Zustand stattfand, wurde die vergangene Phase geehrt und die kommende begrüßt. In der Zeit von Anfang Dezember bis Anfang Januar befand sich die Natur im dunkelsten Teil des Jahres, bevor bald alles wieder von Neuem beginnen würde. Da nichts wuchs, war das die Zeit der Ruhe, Erholung und, nach keltischem Glaube, der Kontaktaufnahme mit den Ahnen. Die Adventszeit diente der Vorbereitung auf die Ankunft des neuen Lichts: der wiederaufgehenden Sonne (Wintersonnenwende am 21. Dezember) oder der Geburt Christi.

Die Wintersonnenwende markiert den Beginn der Raunächte

Der 21. Dezember ist der kürzeste Tag und die längste Nacht des Jahres, ein ganz besonderes Datum also. An der Wintersonnenwende, auch Julfest genannt, wird das Licht geboren. Es braucht drei Tage, um sich im Bauch von Mutter Erde zu stabilisieren, bevor es am 24. bzw. 25. Dezember erscheint. Im Christentum bereitet man sich an vier Adventssonntagen auf Weihnachten vor. Dabei ist der Adventskranz ein Symbol für das Rad des Lebens, das sich durch die Geburt des Lichts immer weiter dreht. Die Kerzen deuten auf die nahende Ankunft des Lichts hin.

Je nach zeitlichem Rahmen der Raunächte wird vom 21. auf den 22. Dezember oder vom 24. auf den 25. Dezember die Modraniht, die Nacht der Mütter, zelebriert. Da Mutter Erde das Licht in tiefer Dunkelheit auf die Welt bringt, steht in dieser Nacht die Schöpferkraft des Weiblichen und die Ehrung der Mutter im Vordergrund.

Welche mythologische Bedeutung haben die Raunächte?

Auch in der germanischen Mythologie ist die Wintersonnenwende der Auftakt zu den Raunächten: Wotan, das Oberhaupt des Götterhimmels, zieht mit seinem wilden Trupp bestehend aus den Seelen Toter und Naturgeistern als Wilde Jagd durch die Nacht. Durch Speiseopfer vor der Tür versuchten die Menschen, das Totenheer gnädig zu stimmen. War das wilde Heer zufrieden, begünstigten die Toten bei ihrer Rückkehr unter die Erde das Wachsen der Samen. Wotans Aufgabe war es, die Sonne aus der Unterwelt zu befreien.

Hel, oder auch Frau Holle, ist das weibliche Gegenüber von Wotan und bringt Fruchtbarkeit, neues Leben und Tod. Sie kontrolliert die Elemente, die Jahreszeiten und das Wetter. Im alpinen Ritual der Perchtenläufe stellt Frau Holle als Frau Percht die zentrale Figur dar. Die Nornen sind die Spinnerinnen des Schicksals und eng mit Frau Holle verbunden: Diese hält die Fäden in den Händen, aus denen die Schicksale der Menschen gewebt werden. Die drei Frauen werden als Hüterinnen der Natur gesehen, stehen für die Kraft des Weiblichen und schützen Frauen und Kinder.

Warum sind die Raunächte auch heute noch so magisch?

Viele Menschen kehren zurück zu Brauchtümern und Ritualen und richten sich wieder mehr nach dem Leben im Einklang mit der Natur. So rücken auch die Raunächte wieder zurück ins Gedächtnis der Menschen. Bis heute wird diese Zeit zwischen den Jahren als magisch empfunden. Das liegt nicht zuletzt an den langen, dunklen Nächten dieser Jahreszeit. Auch Träume erscheinen dann intensiver. Die Traditionen, die sich teilweise bis heute halten, sind geprägt vom Aberglauben unserer Vorfahren und deren mythologischen Erklärungen für die Vorgänge in der Natur. Orakel, Losen und vor allem Hausräucherungen machen die zwölf Heiligen Nächte spirituell erlebbar, wobei Duft und Rauch uns in eine als magisch wahrgenommene Stimmung versetzen. Wie die Raunächte verbracht werden, bleibt jedem selbst überlassen. Manch einer ordnet jeder Raunacht einen Monat zu. Die Träume in der Nacht sollen die Erlebnisse in dem entsprechenden Monat voraussagen. Andere meditieren. Wieder andere beschäftigen sich mit den Themen der jeweiligen Raunacht. Es ist egal, was man in dieser Zeit tut. Die Hauptsache ist, dass sich das Erlebnis gut und richtig anfühlt.